Ektopische Harnleiter (Ureterektopie)

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yorkiefee
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Ektopische Harnleiter (Ureterektopie)

von yorkiefee am 15.03.2011 17:27

Ektopische Harnleiter (Ureterektopie)
Beim gesunden Hund wird der Harn, der ununterbrochen in der Niere produziert wird, durch die
beiden Harnleiter, die Ureteren, zur Harnblase transportiert. (Abb.1) Die Harnleiter verlaufen über
eine kurze Distanz innerhalb der Blasenwand und münden dann in die Harnblase. Die Harnblase
ist das Harnspeicherorgan. Sie besitzt an ihrem Ausgang einen Verschlussmechanismus, einen
Sphinkter. In der Füllungsphase der Harnblase ist dieser Sphinkter verschlossen, der Harn
sammelt sich und die Harnblase dehnt sich langsam aus. Ist die Harnblase voll, so ist die Dehnung
so stark, dass Harndrang auftritt. Der Hund sucht sich einen geeigneten Platz zum Pinkeln. Beim
Pinkeln wird diese Verschlusseinrichtung bewusst geöffnet, der Sphinkter wird entspannt, die
Harnblase entleert sich und der Harn fließt über die Harnröhre ab.
Die Ureterektopie ist eine angeborene Erkrankung. Als eine Ektopie (griechisch εκτοπία, ektopía,
„Außerörtlichkeit“; von εκτÏŒς, ektós, „außen“, und τÏŒπος, tópos, „Ort“) bezeichnet man in der
Medizin eine Störung in der Entwicklung des Embryos oder des Fetus, bei der sich Gewebe oder
ganze Organe an einem falschen Ort ansiedeln. Ein Harnleiter wird als ektopisch bezeichnet,
wenn er nicht an der richtigen Stelle in die Harnblase sondern erst weiter hinten, z.B. direkt in die
Harnröhre mündet. Bei Rüden können ektopische Harnleiter auch in den Samenleiter oder den
Ausführungsgang der Prostata münden, bei der Hündin auch in die Gebärmutter oder in die
Scheide.
Ektopische Harnleiter treten bei bestimmten Hunderassen wie z.B. Retrievern, Pudel, Sibirische
Huskies und einigen Terrierarten gehäuft auf. In letzter Zeit wurden auch Fälle beim Entlebucher
Sennenhund diagnostiziert. Tritt eine Erkrankung in einzelnen Rassegruppen gehäuft auf, dann
wird eine genetische Veranlagung vermutet, in keiner der betroffenen Rassen wurde jedoch bisher
der Vererbungsmodus geklärt.
Hunde mit ektopischen Ureteren werden meist wegen ständigen Harnträufelns vorgestellt. Dieser
unwillkürlicher Harnabgang wird als Harninkontinenz bezeichnet. Inkontinenz tritt auf, wenn die
Mündung der Harnleiter hinter der Verschlusseinrichtung der Harnblase und/oder Harnröhre
verlagert ist, da der Harnabfluss dann nicht mehr bewusst verhindert werden kann. Bei Hündinnen
tritt dieser unkontrollierbare Harnabgang bereits im Welpenalter auf. Rüden mit ektopischen
Harnleitern sind häufig im Welpenalter unauffällig, da beim Rüden ein grosser Teil der Harnröhre
als Verschlusseinrichtung der Harnblase fungiert. Mit zunehmendem Alter oder nach Kastration
verliert die Verschlusseinrichtung jedoch an Kraft, daher werden Rüden mit ektopischen Ureteren
häufig erst nach Kastration oder im fortgeschrittenen Alter inkontinent. Ein Teil der Hunde mit
ektopischen Ureteren haben zudem neben der angeborenen Fehlmündung des Harnleiters
gleichzeitig auch noch eine angeborene Schwäche des Harnblasenverschlussmechanismus, die
ebenfalls zur Inkontinenz führt.
Ektopische Ureteren führen jedoch nicht nur zu Inkontinenz sondern begünstigen auch das
Angehen von Blasen- und Nierenbeckenentzündungen. Zudem besteht häufig eine
Abflussstörung, da der Urin bei ektopischen Ureteren nicht wie gewöhnlich in das Sammelorgan
Harnblase abfliessen kann, sondern in andere Strukturen eingeleitet wird, die sich weniger gut
ausdehnen können. Diese Harnabflussstörung kann zu Rückstau im Harnleiter und in der Niere
führen, in der Folge weiten sich Harnleiter und Nieren (dilatierter Ureter, Hydronephrose oder
Wasserniere).
Besteht ein Verdacht auf ektopische Ureteren so werden mittels Ultraschall (Abb.2) oder bei
Hündinnen mittels Harnblasenspiegelung (Abb. 3) die Öffnungen der Harnleiter dargestellt.
Ebenfalls geeignet ist die Ausscheidungsurographie (Abb.4), dies ist eine Form der
Röntgendarstellung der Nieren, der Harnleiter und der Harnblase, bei welcher nach der Injektion
eines Kontrastmittels in eine periphere Vene der Weg des Harnabfluss auf dem Röntgenbild
deutlich sichtbar wird.
Entsprechend dem Verlauf des falsch mündenden Harnleiters unterscheidet man zwei
verschiedene Formen der Ureterektopie: Extramurale (ausserhalb der Wand) und intramurale (in
der Wand) ektopische Ureteren. Extramural bedeutet, dass der Harnleiter komplett an der Blase
vorbei nach hinten läuft. Intramurale ektopische Ureteren kontaktieren zwar die Blase an der
richtigen Stelle, der Harnleiter öffnet sich jedoch nicht in die Blase sondern läuft in der
Blasenwand weiter nach hinten und öffnet sich erst in der Harnröhre.
Die Behandlung ektopischer Ureteren erfolgt chirurgisch. Die Operation erfordert eine
Allgemeinanästhesie, die Bauchhöhle und die Harnblase werden bei dem auf dem Rücken
liegenden Hund eröffnet. Bei intramural verlaufenden Ureteren wird an der Stelle, wo der
Harnleiter die Blase kontaktiert eine neue Mündungsstelle in die Blase geschaffen. Der hintere
Teil des Harnleiters der in der Blasenwand nach hinten läuft wird teilweise entfernt und die
Blasenschleimhaut darüber verschlossen. Bei extramural verlaufenen Harnleitern wird der
Harnleiter im Bereich der Harnröhre durchtrennt, das hintere Ende wird verschlossen und das
vordere Ende in die Blase eingesetzt. Hierzu wird an der Stelle, wo beim gesunden Hund der
Harnleiter münden würde eine Öffnung in die Blasenwand gemacht und der Harnleiter in die
Blase eingenäht. Anschließend wird die eröffnete Blase und die Bauchhöhle wieder verschlossen.
Bei den Hunden, die nicht nur falsch mündende Harnleiter sondern auch noch eine angeborene
Verschlussmechanismusschwäche haben, ist neben der chirurgischen Korrektur der
Harnleitermündungen auch noch die Behandlung dieser Verschlussschwäche nötig. Dies ist durch
Medikamente, die täglich verabreicht werden und den Harnröhrenverschlussdruck erhöhen
möglich. Führt auch diese Behandlung nicht zur Kontinenz, so kann während einer
Harnröhrenspiegelung Kollagen unter die Harnröhrenschleimhaut gespritzt werden. Kollagen
wird beim Menschen in der Schönheitschirurgie zur Faltenunterspritzung eingesetzt, es hat einen
Polstereffekt. Wird es Hunden, deren Verschlussmechanismus der Blase ungenügend ist, unter die
Harnröhrenschleimhaut gespritzt, so erzielt man damit einen besseren Verschlussdruck der
Harnröhre, 75% der Hunde werden Kontinent.
Nach der chirurgischen Korrektur werden 72% der Hunde Kontinent, d.h. sie verlieren keinen
Harn mehr, nach einer zusätzlichen Behandlung der Schwäche des Verschlussmechanismus ist
eine Kontinenzrate von 80% zu erwarten.

PD Dr. med. vet. I.M. Reichler
Abteilung für Kleintierfortpflanzung
Klinik für Fortpflanzungsmedizin
Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich
Winterthurerstr.260
CH-8057 Zürich
Tel: +41 44 635 82 66
Fax:+41 44 635 89 40

University of Zurich
Zurich Open Repository and Archive
Winterthurerstr. 190
CH-8057 Zürich
http://www.zora.uzh.ch
Year: 2008
Ektopische Harnleiter (Ureterektopie)
Reichler , I M
Reichler , I M (2008). Ektopische Harnleiter (Ureterektopie). Bläss:11-13.
Postprint available at:
http://www.zora.uzh.ch
Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich.
http://www.zora.uzh.ch
Originally published at:
Bläss 2008, :11-13.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 15.03.2011 17:28.

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